Mit Bloggen hatte ich eigentlich nie etwas am Hut. Viel zu viele Blogs, viel zu viele unverrückbare Meinungen, viel zu vieles an ideologischem Gepäck, viel zu wenig Zeit zum darüber Nachdenken. Irgendwann aber habe ich gemerkt: Genau deshalb braucht es auch Räume, in denen neue Ideen und Gedanken noch frei atmen dürfen. Wo Sätze noch leise tastend nach ihrem höheren Sinn suchen können und Meinungen nicht gleich zu unverrückbaren Monumenten werden. Wo Ideen nicht auf Schlagzeilen und Likes zielen, sondern auf Einsicht. Und wo ein Umweg der Gedanken manchmal lohnender ist als der direkte Weg zur grellen Pointe – deshalb blogge ich jetzt.
Worte haben mich immer schon fasziniert: Ich liebe ihre Macht – aber noch mehr ihren Zauber. Für mich sind sie wie Pinsel, mit denen man Bilder in die Köpfe anderer malt: klare Konturen, vage Andeutungen – oder ganze Szenen, die mehr spürbar als erklärbar sind. In meiner Zeit als psychologischer Berater habe ich oft erlebt, wie kraftvoll solche Bilder sein können – wie sie Unausgesprochenes sichtbar machen, Orientierung geben oder eine Ahnung davon wecken, wo der Hase im Pfeffer liegt.
Gute Sprache belehrt nicht – sie berührt und öffnet Räume zwischen Menschen, aber auch zwischen Ahnung, Erkenntnis und Einsicht. Und manchmal führt sie uns mitten hinein in ein überraschendes Verstehen, das man so nie gesucht hätte.
Ich bin weder Schriftsteller noch Journalist – ich schreibe einfach gern. Eine Leidenschaft, die sich schon in meiner Schulzeit zwischen den von mir so sehr verhassten Mathe- und den so sehr geliebten Aufsatzheften ihren Weg gebahnt hat. Die zurückstehen musste während meiner langen Berufszeit – und nun, da mehr Ruhe in mein Leben eingekehrt ist, sich wieder frei entfalten darf.
Damals wie heute fasziniert mich, wie Sprache Gedanken nicht nur ordnet, sondern sie auch verführt, in Sackgassen schickt, Purzelbäume schlagen lässt – und manchmal Türen aufstößt, die man zuvor für Wände gehalten hat. Manchmal schreibe ich einfach, um zu sehen, wohin mich ein Gedanke führt, wenn ich ihn von der Leine lasse. Meistens verheddert er sich im gedanklichen Gestrüpp. Aber manchmal rennt er auch geradewegs auf eine überraschende Erkenntnis zu.
Meine sprachlichen Leitsterne waren und sind Redner wie Cicero, Caesar und Dr. Martin Luther King. Denker und Philosophen wie Platon, Seneca und Mark Aurel. Und Dichter wie Goethe, der seinen Faust verzweifelt nach Erkenntnis suchen lässt, nach dem, „was die Welt im Innersten zusammenhält“ – und der dafür alles zu geben bereit ist.
Vielleicht ist es genau diese Faustsche Suche, die auch mich nie losgelassen hat. Nicht als Pose, nicht als intellektuelles Spiel, sondern als leises, beharrliches Fragen. Und ja – irgendwo da zwischen Licht und Schatten begegnet man ihm: dem leisen Angebot, den Pakt zu schließen. Erkenntnis gegen Verzicht. Klarheit gegen Kompromiss. Ich habe nie unterschrieben, es war mir zu viel des Kleingedruckten. Aber vielleicht habe ich auch deshalb nicht unterschrieben, weil ich ahnte: Wer zu schnell und vor allem alles weiß, verliert das Staunen. Und wer nicht mehr freudig Staunen kann, hat bereits den ersten Preis bezahlt – ohne vielleicht zu wissen, wofür.
Ich schreibe hier, weil mich die Gesellschaft interessiert. Politik, Kultur und Sprache – das ganze fragile Gebilde, das wir Gegenwart nennen. Aber mich reizen dabei nicht die schnellen Urteile, sondern die offenen Fragen. Und mich interessiert auch nicht das Laute, das Knallige, das grell nach Aufmerksamkeit Heischende. Vielmehr suche ich die Zwischentöne. Die Ambivalenzen und Paradoxien. Und die Möglichkeit, klug zweifeln zu dürfen ohne gleich das Stigma eines Zauderers oder Hemmschuhs auf der Stirn tragen zu müssen.
Gedacht ist dieser Blog für alle, die zwischen dem digitalen Schwarz und Weiß, Links und Rechts noch möglichst viele andere Farben, Töne und Richtungen sehen und erkennen wollen – und die Widerspruch nicht gleich als Angriff, Besserwisserei oder Bevormundung verstehen. Sondern einfach als das, was dieser Blog sein soll – ein Denkangebot.
Herzlichst,
Michael Filipic
PS: Denken kann anstrengend sein – aber wer seine Stirn nie in Falten legt, verpasst vielleicht den Moment, in dem sich etwas entfaltet.