Dieses höchst bedeutsame, ja geradezu epochale Ereignis darf keinesfalls unkommentiert an der Menschheitsgeschichte vorüberfliegen. Schließlich war das, was sich am 14. April 2025 zutrug, einzigartig – nicht für die Raumfahrt, sondern für den kollektiven Selbstinszenierungsdrang unserer Zeit: Sechs Damen ließen sich von Jeff Bezos’ Rakete in den Weltraum befördern. Oder sagen wir: bis knapp an jene Grenze, wo sich mit viel Fantasie ein „Weltraum“ vermuten lässt.
Zehn Minuten dauerte das Ganze – begleitet von fröhlichem Gekicher, glamourösem Gekreische und einem PR-Feuerwerk der Sonderklasse. Mit an Bord: Neo-Allmazone Katy Perry, angeblich Superstar, wie man hört. Andere würden sagen: Sängerin mit Milliarden Streaming-Clicks und akutem Mangel an Weltfluchtalternativen.
Was wie eine Mischung aus Jungmädchentraum und millionenschwerer Mutprobe wirkt, wurde von gewissen Medien als feministischer Meilenstein gefeiert. Endlich, so der Jubel, seien auch Frauen im All angekommen.
Was dabei übersehen wird: Die Gleichstellung hat im All längst stattgefunden. Am 16. Juni 1963 wurde Valentina Vladimirowna Tereschkowa als erste Frau – ganz ohne Tamtam – ins All geschickt. Ins wirkliche All, wohlgemerkt. Sie blieb dort nicht zehn Minuten, sondern drei Tage. Das war heute vor 62 Jahren. Ach ja: Tereschkowa war „nur“ eine einfache Näherin. Merken Sie den feinen Unterschied?
Zehn Minuten Schwerelosigkeit als Symbol für jahrzehntelange Gleichstellungskämpfe – das ist freilich ein Fortschritt, wie ihn sich vermutlich nicht einmal Simone de Beauvoir in ihren absolut kühnsten Albträumen hätte vorstellen können. Ich bin schon gespannt, wann die erste Hochzeit an der unteren Allkante über die Bühne geht – mit Sektfontäne, Konfetti in der Kapsel und einem rosa „Just Married“-Banner an der Rakete.
Die Raumfahrt, einst Domäne von Forschung, Risiko und Pioniergeist, wird jetzt Bühne für eine schwindelfreie Selbstinszenierungs-Elite. Die „Demokratisierung des Alls“ soll das sein. Nun ja – ich sehe darin mehr eine zehnminütige Luxus-Achterbahnfahrt für Menschen mit zu viel Geld, zu wenig Selbstreflexion und absolut null Klimabewusstsein. Und dass Jeff Bezos sich dabei zum Zeremonienmeister dieser Null-G-Nummern aufschwingt, ist nur folgerichtig: Wer sich seinen Schuss ins „All“ leisten kann, braucht keine Bedeutung mehr.
Was bei mir von dem ganzen Rummel hängen bleibt, ist eher ein Gefühl zwischen Irritation und Faszination. Nicht wegen der Damen. Sondern weil zehn Minuten Weltraumtourismus plötzlich als großartiger Gleichstellungserfolg verkauft werden. Aber gut – wer es so sieht, soll's gerne tun.
Insgesamt ein historischer Tag also. Für Instagram. Für den Boulevard. Und für die Menschheit – zumindest für jene im Mikrokosmos der sogenannten Influencer.
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